Steuern

Wenn aus Liebhaberei was Ernstes wird

Ein bekanntes Phänomen: Verlustbringende Tätigkeiten werden von den Finanzämtern gerne als "Liebhaberei" eingestuft, weil die gewerbliche oder freiberufliche Betätigung nur Verluste erwirtschaftet und mit den steuerlichen Verlusten die Steuerlasten anderer Einkunftsquellen gemindert werden, zum Beispiel das Angestelltengehalt. Das schmeckt den Finanzämtern natürlich nicht. Schließlich will man Steuern einnehmen und keine Steuersparmodelle unterstützen. Steuerliche Verluste werden daher regelmäßig nur unter Vorbehalt anerkannt und erlassene Steuerbescheide selbst nach Jahrzehnten geändert, weil die Gewinnerzielungsabsicht von Anfang an gefehlt haben soll, wenn sich nicht bald Gewinne einstellen. Eine Verteidigung dagegen ist schwierig, aber oft erfolgversprechend, da den Finanzämtern häufig Verfahrensfehler bei der vorläufigen Steuerfestsetzung unterlaufen. Was aber passiert, wenn eine in der Vergangenheit vom Finanzamt als Liebhaberei eingestufte Tätigkeit nun völlig überraschend Gewinne erwirtschaftet? Es darf darauf gewettet werden, dass das Finanzamt seine Einstufung als Liebhaberei nochmals überdenken und zur Auffassung gelangen wird, die Tätigkeit sei jetzt gewinnorientiert mit der Folge der Besteuerung der erwirtschaften Erträge. Dieser Sachverhalt war kürzlich Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Bundesfinanzhof. Ein Unternehmen der Elektronikbranche erzielte jahrzehntelang nur Verluste, die wegen der vom Finanzamt unterstellten Liebhaberei steuerlich unbeachtlich waren. Als neues Personal in das Unternehmen Einzug hielt, folgte eine eindrucksvolle Kehrtwende. Durch die Vermarktung eines patentierten Produkts kletterte der Gewinn plötzlich in ungeahnte Höhen.

Wenn aus Liebhaberei was Ernstes wird

Das Finanzamt wollte nicht tatenlos zusehen und revidierte seine frühere Auffassung nicht ganz unerwartet. Es ging fortan davon aus, dass seit der Einführung des patentierten Produkts eine bis dato verborgen gebliebene Gewinnerzielungsabsicht wieder auflebte. Ohne viel Federlesens besteuerte das Finanzamt die Gewinne. Der Bundesfinanzhof teilte die Auffassung des Finanzamts. Das oberste Steuergericht befand, dass mit der Vermarktung des patentierten Produkts eine geänderte Art der Betriebsführung erkennbar gewesen sei. Auch die Höhe des Gewinns, der in nur einem Jahr sämtliche Verluste der vergangenen Jahre ausglich, soll für die Absicht gestritten haben, einen Totalgewinn zu erzielen. Achtung: Wird eine zuvor als Liebhaberei eingestufte Tätigkeit wegen einer positiven Wendung wieder steuerlich anerkannt, führt dies nach Auffassung der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte aber nicht dazu, dass die zuvor erzielten Verluste jetzt steuerlich nutzbar werden. Denn der Status der Liebhaberei entfällt erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Gewinnerzielungsabsicht auflebt. Daher können die besteuerten Gewinne nicht mit den Verlusten der Vorjahre verrechnet werden. Fazit: Liebhaberei ist immer auch eine Frage der Perspektive - ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

 

©  Steueranwalt Disqué